Rutishauser/Kuhn. Standpunkt

 

    

ID 23 Standpunkt, Kunst am Bau, Schloss Wartensee, Rorschacherberg, 1996
Schrift auf Glas (sandgestrahlt) und auf Wand (Farbe auf Wand), Sandsteinplatten, Schriftgravur und Bleiguss in Sandstein

 

Das Projekt Standpunkt geht von der baulichen Situation im Schloss Wartensee aus, den beiden alten Gebäudeteilen und dem neuen, zentralen Mittelbau und nimmt die architektonische Position des Neubaus als verbindendes Element auf.
Auf der Fensterfront des Foyers ist zweimal eine Wörterliste, die den Begriff Standpunkt lexikalisch variiert, sichtbar; die Liste ist dabei für die Ankommenden von aussen, für die das Haus Verlassenden von innen lesbar; sichtbar sind beide Listen von beiden Seiten. Durch die (zweifach) spiegelverkehrte Anordnung entsteht eine vordergründige Visualisierung der Problematik Position beziehen, die dadurch verstärkt wird, dass die jeweils andere Position, die Gegenposition, vom eigenen Standpunkt aus räumlich mit sichtbar ist. Auf der für die Eintretenden frontal sichtbaren Rückwand des Foyers ist der Begriff STANDPUNKT angebracht.
Aus dem Foyer als Zentrum der Anlage wird die Arbeit Standpunkt an vier Stellen im 1. und 2. Obergeschoss dezentralisiert. In den Durchgängen aus dem Treppenhaus Ost in den Mitteltrakt und in den Durchgängen aus dem Treppenhaus West in den Mitteltrakt, also an den Stellen, wo der Neubau an die bestehenden alten Bauten angeschliesst, sind exemplarisch vier Standpunkte als Koordinatenschnittpunkte genau bestimmt und bezeichnet. In der Grösse des jeweiligen Mauerdurchbruchs ist an den vier Stellen je eine Sandsteinplatte verlegt, die den Eichenriemenboden unterbricht und materiell auf das Erdgeschoss zurückverweist. Auf der Sandsteinplatte ist der jeweils genaue Standpunkt (das sind die geografischen Koordinaten des Punktes sowie seine Höhe über Meer) eingraviert und mit Blei bodeneben ausgegossen.
Auf dem Koordinatenpunkt stehend ergeben sich somit keine Probleme bei der Definition des eigenen Standpunktes; vielmehr stellt sich einerseits die Frage nach dem zweiten, jeweils am andern Ende des Ganges sichtbaren Standpunkt; andrerseits nach dem andern über oder unter dem momentanen Koordinatenpunkt liegenden Standpunkt.
Die Arbeit Standpunkt geht somit von einem zweifachen Bezugssystem aus. In einem ersten System wird das Thema Standpunkt verbal erörtert; die Besucherinnen und Besucher werden gleichsam aufgefordert, über ihren eigenen Standpunkt nachzudenken. In einem zweiten System wird der Standpunkt geografisch, anhand eines globalen Vermessungssystems, bestimmt. Der Begriff STANDPUNKT erhält so neben der kommunikativen persönlichen eine zweite, diesmal klar definierte Deutung, die erstens die Frage nach dem eigenen Standpunkt stellt und zweitens auch über das Schloss Wartensee und den einzelnen Menschen hinausverweist.

 

 

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